Scholz äußert Verständnis für Ungarn – EU-Öl-Embargo steht

Brüssel (Reuters) – Bundeskanzler Olaf Scholz hat Verständnis für die Haltung von Ländern wie Ungarn geäußert, die den Import von russischem Öl nicht so schnell wie Deutschland beenden könnten.

Scholz verteidigte zum Abschluss des EU-Gipfels am Dienstag in Brüssel, dass das von den EU-Staaten beschlossene Einfuhrverbot von russischem Öl nicht für Lieferungen über Pipelines gelte. “Das war wichtig”, sagte der Kanzler, weil einige Länder die Übergangsmaßnahmen nicht so schnell hinbekämen wie andere. Zugleich räumte Scholz aber ein, dass ein einstimmiger Beschluss der EU-Staaten nur auf diese Weise möglich gewesen sei.

Scholz betonte, mit dem Beschluss werde die Einfuhr von russischem Öl in die Europäische Union um 90 Prozent gekappt. Der Schritt diene dazu, dass Russland den Krieg in der Ukraine beende, sich aus dem Land zurückziehe und eine Friedenslösung anstrebe. Für Deutschland bleibe er bei seinem Ziel, bis Jahresende kein Öl aus Russland mehr zu importieren. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron sagte, weitere Sanktionen gegen Russland seien möglich und dabei könne nichts ausgeschlossen werden. Die Ukraine begrüßte den Schritt gegen Russland. Die neuen Sanktionen der EU würden den Kollaps der russischen Wirtschaft beschleunigen, erklärte das Außenministerium in Kiew. Die Haltung Ungarns sei allerdings enttäuschend.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hatte mit seinem Veto in Brüssel ein vollständiges Öl-Embargo verhindert. Er verwies dabei auf die große Abhängigkeit der ungarischen Wirtschaft von dem russischen Energieträger. Auch die Slowakei und Tschechien haben Bedenken gegen ein vollständiges Embargo geäußert. Die osteuropäischen Länder werden über die “Druschba”-Pipeline versorgt. Über die Leitung fließt Öl von Russland zu Raffinerien in Budapest, Prag und Bratislava. Ungarn, die Slowakei und Tschechien verfügen wegen ihrer geografischen Lage nicht über einen Anschluss an das offene Meer und sind daher nahezu vollständig auf Lieferungen über die Pipeline angewiesen.

“SICHERE UND ZUKUNFTSFÄHIGE PERSPEKTIVE”

Das von den EU-Staats- und Regierungschefs beschlossene Embargo soll mit Übergangsfristen greifen. Für anlandendes Rohöl seien dafür sechs Monate, für raffinierte Produkte acht Monate vorgesehen, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Die Fristen griffen, wenn das sechste Sanktionspaket der EU gegen Russland formal beschlossen sei. Erwartet wird, dass die Botschafter der 27 Mitgliedstaaten noch diese Woche den entsprechenden Beschluss fassen. In dem Sanktionspaket ist auch der Ausschluss des größten russischen Finanzinstituts Sberbank aus dem Zahlungssystem Swift enthalten. Zudem sollen drei staatliche russische Sender ihre Lizenz für die EU verlieren.

Was das Öl-Embargo für die ostdeutsche Raffinerie in Schwedt bedeutet, ist weiter unklar. Schwedt bezieht sein Öl ebenfalls aus der Druschba-Pipeline. Scholz verwies auf laufende Gespräche und betonte, es werde nach einer “Perspektive” gesucht, die die Arbeitsplätze dort sichere. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte, er wolle für Schwedt “eine sichere und zukunftsfähige Perspektive schaffen, sowohl was die Versorgung mit Öl angeht, wie auch dann ein wachsendes Geschäftsfeld jenseits der Ölproduktion”. Es gelte nun, die Umsetzung des EU-Embargos auch in Deutschland vorzunehmen, sagte der Grünen-Politiker bei einem Besuch der Hannover-Messe.

Aus Moskau lag zunächst keine offizielle Reaktion vor. Allerdings stellte der russische Staatskonzern Gazprom am Morgen wie angekündigt seine Lieferungen in die Niederlande ein. Betroffen ist der niederländische Gashändler GasTerra. Zuvor hatte Gazprom bereits seine Gaslieferungen nach Bulgarien, Polen und Finnland gekappt. GasTerra habe seine Zahlungen für April nicht in der geforderten Rubel-Form geleistet, teilte Gazprom zur Begründung mit.

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