– von Rene Wagner
Berlin (Reuters) – Die deutschen Verbraucher lassen wegen der hohen Inflation deutlich weniger Geld in den Geschäften und sparen bei Lebensmitteln wie noch nie.
Der Einzelhandelsumsatz sank im April trotz Corona-Lockerungen um 4,7 Prozent zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Preisbereinigt (real) lag das Minus sogar bei 5,4 Prozent und fiel damit so hoch aus wie seit einem Jahr nicht mehr. Das kommt überraschend: Von Reuters befragte Ökonomen hatten hier lediglich mit einem Rückgang von 0,2 Prozent gerechnet. Insgesamt fiel der reale Umsatz so mau aus wie seit Februar 2021, so die Bilanz der Statistiker.
Besonders schlecht liefen die Geschäfte mit Lebensmitteln: Hier gab es ein reales Minus von 7,7 Prozent. “Dabei handelte es sich um den größten Umsatzeinbruch gegenüber dem Vormonat seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1994”, erklärten die Statistiker. “Diese Entwicklung ist vermutlich den deutlich gestiegenen Preisen für Lebensmittel geschuldet.” Diese kosteten im April 8,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
“Das ist wohl nur der Auftakt zu anhaltendem Konsum-Schlamassel”, sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank AG, Alexander Krüger. Der kräftige Inflationsanstieg erschwere es vielen Privathaushalten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. “Selbst beim Kauf von Lebensmitteln streiken die Konsumenten bereits”, sagte Krüger. Damit zeichne sich ab, dass der private Konsum im laufenden Frühjahrsquartal wohl als Konjunkturmotor ausfallen dürfte.
Das sieht auch der Handelsverband Deutschland (HDE) so. “Die Verbraucherstimmung verharrt seit Wochen mit Blick auf den russischen Krieg in der Ukraine auf einem sehr niedrigen Niveau”, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. “Für den Konsum sind deshalb derzeit absehbar keine spürbaren Impulse zu erwarten.” Eine Mehrheit der Deutschen (56 Prozent) rechnet damit, dass die Preise noch weiter steigen werden, wie eine Umfrage des Forsa-Instituts ergab.
“KONSUMLAUNE IST GRUSELIG”
Der Ukraine-Krieg und die hohe Inflation haben die Verbraucherstimmung im Mai auf ein Rekordtief gedrückt, wie die Nürnberger GfK-Marktforscher bei ihren Umfragen herausfanden. “Die Konsumlaune ist trotz Corona-Ersparnissen gruselig”, sagte Krüger dazu. Die Teuerungsrate kletterte im Mai auf 7,9 Prozent, weil vor allem Energie und Lebensmittel infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine deutlich mehr kosteten. Ähnlich hohe Werte gab es zuletzt im Winter 1973/1974, als infolge der ersten Ölkrise die Mineralölpreise ebenfalls stark gestiegen waren.
Die Schließung großer Häfen in China infolge von Corona-Ausbrüchen verschärft zudem die Lieferprobleme im Einzelhandel. 80,1 Prozent der Händler klagten im Mai, dass sie nicht alle bestellten Waren liefern können, wie das Ifo-Institut zu seiner Unternehmensumfrage mitteilte. Im April waren es lediglich 67,1 Prozent, auf dem bisherigen Höhepunkt im vergangenen Dezember 81,6 Prozent. “Viele Waren stehen nicht im Regal, sondern im Container in einem Hafen von China”, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. Zwei Drittel der Einzelhändler erklärten demnach, die Lage in China habe bereits bestehende Lieferprobleme verschärft.
(Bericht von Rene Wagner. Redigiert von Scot W. Stevenson Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)