SPD weist Union-Forderungen bei Wehrdienstgesetz zurück – Wadephul macht Weg frei

Berlin (Reuters) – Im Streit über das geplante Wehrdienstgesetz hat die SPD Forderungen der Union nach Verschärfungen zurückgewiesen und damit den Konflikt in der Koalition neu entfacht.

“Man sollte vielleicht erstmal abwarten, wie ein Gesetz wirkt, bevor man schon vorweg die Verschärfung fordert”, sagte der SPD-Verteidigungsexperte Christoph Schmid am Dienstag der “Augsburger Allgemeinen” einem Vorabbericht zufolge. Der Gesetzentwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kann dennoch nach einer Einigung zwischen den Ministerien wie geplant am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden. Außenminister Johann Wadephul (CDU) hatte zuvor einen sogenannten Leitungsvorbehalt gegen das Vorhaben am Montagabend wieder zurückgezogen, wie Regierungssprecher Stefan Kornelius mitteilte.

Die Union hält den Entwurf jedoch für unzureichend und fordert Nachbesserungen. Unions-Verteidigungsexperte Erndl (CSU) sagte Reuters: “Es ist richtig, dass Bundesminister Wadephul einen Leitungsvorbehalt eingelegt hat und konkrete Zielmarken für den Aufwuchs einfordert.” Der bisherige Entwurf sei in mehrfacher Hinsicht unzureichend. Weder garantiere er die Erreichung der Personalziele von 260.000 aktiven Soldaten und 200.000 Reservisten, die das Ministerium selbst für notwendig erachte. CSU-Chef Markus Söder und andere Unionspolitiker hatten zudem mehrfach die Notwendigkeit einer allgemeinen Wehrpflicht betont.

Der SPD-Verteidigungsexperte Schmid wies dies laut der Zeitung scharf zurück. “Ich halte die Union an der Stelle für völlig unglaubwürdig”, sagte der SPD-Politiker. Seine Partei setze weiter auf Freiwilligkeit. “Wir sehen ja jetzt schon einen deutlichen Anstieg bei den Bewerberzahlen, das wird durch das Gesetz noch weiter steigen.” Ein Pflichtdienst würde professionelle Soldaten nur mit Ausbildungsaufgaben überfrachten. Die Debatte in der Union sei eine “Schaufensterdebatte”, die letztlich nur der AfD Angriffsflächen biete.

NEUES GESETZ SIEHT UMFASSENDE WEHRERFASSUNG VOR

Der Entwurf sieht zum einen eine umfassende Wehrerfassung junger Männer vor, die mit der Aussetzung der Wehrpflicht 2011 aufgegeben wurde. Zudem setzt er zunächst auf Freiwilligkeit unter deutlich verbesserten Rahmenbedingungen für die Rekruten. Erst wenn sich nicht ausreichend Freiwillige finden sollten, greift auch eine Pflicht. Diese muss aber von der Bundesregierung und dem Bundestag beschlossen werden. Erndl kritisierte besonders den fehlenden Automatismus beim Übergang zur Wehrpflicht. Genau diesen fehlenden Automatismus kritisiert die Union. Ein abermaliger Bundestagsbeschluss in einer bereits angespannten Lage berge eine eskalierende Wirkung, sagte Erndl. “Ein solcher Beschluss würde schnell als Mobilmachung missverstanden werden können.” Zudem wäre es in einem Krisenszenario zu spät, dann erst ausreichend Personal auszubilden.

PISTORIUS UNTER DRUCK

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) steht allerdings auch von Seiten seiner Partei unter Druck, die den Gesetzentwurf bereits sehr weitgehend findet. Die Jusos haben Pistorius schon vorgeworfen, sich mit dem Entwurf nicht an eine Abmachung auf dem SPD-Parteitag und einen Kompromissbeschluss gehalten zu haben. Sie wollen einen rein freiwilligen Wehrdienst. Im Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass Regierung und auch Bundestag zustimmen müssen, bevor die Dienstpflicht greift.

Das Verteidigungsministerium erklärte auf Anfrage, man äußere sich zu laufenden Ressort-Abstimmungen grundsätzlich nicht. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte zum Vorhaben: “Dazu laufen Ministergespräche.”

(Bericht von Markus Wacket, Andreas Rinke und Alexandra Falk; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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