Berlin (Reuters) – Die Industrie mahnt nach den zuletzt schwachen Konjunkturdaten die Bundesregierung zu mehr Tempo bei Reformen.
“Dieser Herbst 2025 muss der Herbst der Reformen werden”, sagte die Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Helena Melnikov, am Dienstag. “Die deutsche Wirtschaft steckt tiefer in der Krise, als viele wahrhaben wollen.”
Sinkende Investitionen, schrumpfende Exporte und die anhaltende Bauflaute hatten das Bruttoinlandsprodukt von April bis Juni um 0,3 Prozent zum Vorquartal schrumpfen lassen. Das ist deutlich mehr als zunächst erwartet worden war. Einer Studie der Beratungsgesellschaft EY zufolge summierte sich der Umsatz der Industrie im zweiten Quartal auf gut 533 Milliarden Euro. Das entspricht einem Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 2,1 Prozent. Es ist bereits das achte Quartal in Folge mit einer negativen Umsatzentwicklung. Von den acht zurückliegenden Quartalen wiesen zudem sieben eine negative Exportentwicklung auf. Seit 2019 – also vor der Corona-Pandemie – sind in der deutschen Industrie 245.500 Jobs verloren gegangen.
Melnikov sagte, die Bundesregierung aus Union und SPD sei mit großen Versprechen gestartet. “Die Hoffnungen auf Reformen waren entsprechend hoch.” Die Aufwärmphase sei mittlerweile vorbei. “Jetzt braucht es entschlossene Taten.” Positiv seien die Investitionspakete sowie Impulse für Infrastruktur und Sicherheit. “Doch das reicht nicht. Spätestens seit dem Stromsteuer-Debakel schwindet das Vertrauen vieler Unternehmen erneut.” Die Senkung der Stromsteuer kommt nicht wie versprochen für alle. Die Abgabenlast müsse dringend sinken, die Verwaltung modernisiert und der Fachkräftemangel entschlossen angegangen werden.
“Entscheidend ist, dass Produktivität und Wirtschaftskraft schneller wachsen als die Sozialausgaben”, ergänzte Melnikov. Dies gelinge nicht mit Steuererhöhungen, sondern nur mit Strukturreformen. SPD-Chef und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hatte Steuererhöhungen als Option ins Spiel gebracht, um die riesigen Löcher im Haushalt 2027 zu stopfen. Dies wäre das falsche Signal, so die DIHK-Lobbyistin. “Schon die Diskussion darüber sorgt für einen erheblichen Vertrauensverlust in der Wirtschaft.”
(Bericht von Christian Krämer, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)