Berlin (Reuters) – Trotz der Entwicklung im Westjordanland und im Gazastreifen wollen Deutschland und Belgien derzeit keinen palästinensischen Staat anerkennen.
“Wir werden uns dieser Initiative nicht anschließen”, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz am Dienstag nach einem Treffen mit Kanadas Ministerpräsident Mark Carney in Berlin. Der belgische Ministerpräsident Bart De Wever warnte nach einem Treffen mit dem Kanzler, dass ein solcher Schritt derzeit eher kontraproduktiv sein könnte. Der Kanzler übte aber auch schwere Kritik an der israelischen Regierung. Die neuen Projekte jüdischer Siedlungen im Westjordanland seien völkerrechtswidrig. “Sie sind offensichtlich darauf ausgerichtet, eine spätere Staatenbildung unmöglich zu machen”, kritisierte Merz mit Blick auf die angestrebte Zweistaaten-Lösung. Teile der israelischen Regierung forcierten dies – “aber von der ganzen israelischen Regierung wird dies offensichtlich auch akzeptiert”.
Etliche westliche Staaten hatten in den vergangenen Wochen wegen des israelischen Vorgehens die Anerkennung eines eigenen palästinensischen Staats angekündigt. Dazu gehören engste Partner wie Frankreich, Großbritannien, Australien und Kanada. Weltweit haben rund 150 Staaten einen Palästinenserstaat anerkannt. Dies dürfte auch ein großes Thema auf der im September beginnenden UN-Vollversammlung werden.
“Es fehlt diesem Staat im Grunde genommen an allem, was zu einer Eigenstaatlichkeit dazugehört”, sagte Merz. “Es gibt kein Staatsvolk im eigentlichen Sinne.” Es gäbe kein Staatsgebiet und keine Staatsgewalt mit einer legitimierten Regierung, fügte er hinzu. Deshalb seien zum heutigen Zeitpunkt “alle Voraussetzungen dafür nicht vorhanden”.
Der belgische Ministerpräsident De Wever sagte, dass eine Anerkennung Palästinas nötig, aber an Vorbedingungen geknüpft sei. Als Vorbedingungen nannte er die Demilitarisierung der radikal-islamischen Hamas und die Freilassung aller israelischen Geiseln. “Es braucht auch eine Anerkennung Israels und Sicherheitsgarantien. Wenn es das alles gibt, dann ist die Anerkennung Palästinas logisch und dann wird es auch helfen”, betonte er. Ohne diese Bedingungen sei eine Anerkennung Palästinas aber sinnlos “und sogar kontraproduktiv”. Er räumte ein, dass es in seiner Koalitionsregierung in Brüssel dazu unterschiedliche Meinungen gebe.
“SCHWERER SCHATTEN”
Kanzler Merz betonte, dass er trotz seiner Haltung das Vorgehen Israels sehr kritisch sehe. “Ich glaube im Augenblick nicht, dass das ein gezielter Angriff gegen Journalisten war”, sagte er zu dem israelischen Angriff auf ein Krankenhaus in Gaza, bei dem es mehr als 20 Tote gab, darunter Journalisten und Sanitäter. Er wolle das Ergebnis der von Israel zugesagten Aufklärung des Vorfalls abwarten, bei dem auch ein Kameramann der Nachrichtenagentur Reuters ums Leben kam. Merz warnte, dass solche Angriffe die Folge des verstärkten Angriffs israelischer Truppen in Gaza seien. Man müsse befürchten, dass sich solche Szenen nun häufiger wiederholten.
Er fühle sich deshalb in seiner Entscheidung, Israel keine Waffen mehr zu liefern, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnten, “mehr als nur bestätigt”, betonte der CDU-Vorsitzende. “Das, was die israelische Regierung dort tut und was die israelische Armee in der Ausführung dessen, was die israelische Regierung will, tut, ist nicht akzeptabel.” Der Angriff auf das Krankenhaus werfe einen “schweren Schatten” auf den berechtigten Kampf gegen Hamas. “Diese Schäden für die Zivilbevölkerung, für unbeteiligte Dritte – in diesem Falle Krankenhausbedienstete, Patienten und Journalisten – sind Folgen dieses massiven militärischen Vorgehens.”
(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)