Chinas Wirtschaft im Aufwind – “Umfeld bleibt aber schwierig”

Peking (Reuters) – Die chinesische Wirtschaft setzt nach wochenlangen Corona-Lockdowns wieder zum Aufschwung an.

Die Industrie steigerte ihre Produktion im Mai überraschend um 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistikamtes am Mittwoch in Peking mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem Rückgang von 0,7 Prozent gerechnet, nachdem es im April sogar ein Minus von 2,9 Prozent gegeben hatte. Der Aufwärtstrend werde sich im Juni auch dank staatlicher Konjunkturhilfen verstärkten, sagte Statistikamt-Sprecher Fu Linghui. “Allerdings ist das internationale Umfeld nach wie vor komplex und schwierig”, wies er zugleich auf Risiken hin.

Auch die Investitionen schlugen sich besser als erwartet, während die Immobilienverkäufe zumindest langsamer schrumpften. Dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen werden, zeigt ein Blick auf den Einzelhandel. Dessen Umsätze fielen im Mai um 6,7 Prozent geringer aus als ein Jahr zuvor. Ökonomen hatten sogar einen Rückgang von 7,1 Prozent erwartet, nach einem Einbruch von 11,1 Prozent im April. Kunden in Shanghai und anderen großen Städten konnten wegen der Corona-Lockdowns wochenlang ihre Häuser nicht verlassen, wodurch die Einzelhändler kräftige Einbußen erlitten.

“Die Konjunkturdaten zeichnen ein Bild der wirtschaftlichen Erholung im Mai, aber nur einer langsamen”, sagte die China-Chefvolkswirtin der Bank ING, Iris Pang. “Die Regierung wird wahrscheinlich auf diese wirtschaftliche Schwäche mit weiteren steuerlichen Anreizen reagieren.” Die chinesischen Aktienmärkte stiegen nach der Veröffentlichung der Daten. Der Leitindex kletterte um 1,8 Prozent, die Börse in Hongkong um 1,4 Prozent. “Wir sollten nicht allzu optimistisch sein, was den Konsum angeht, da die Erholung recht langsam verläuft”, warnte der Chefökonom der Zhongyuan Bank, Wang Jun. Corona-Ausbrüche und ein langsameres Einkommenswachstum dürften immer wieder bremsen.

Die Beschäftigung blieb ebenfalls ein großes Problem. Die auf einer landesweiten Umfrage basierende Arbeitslosenquote sank im Mai zwar auf 5,9 Prozent von 6,1 Prozent im April. Sie liegt damit aber immer noch über dem von der Regierung für 2022 angestrebten Wert von unter 5,5 Prozent. Einige Ökonomen gehen davon aus, dass sich die Beschäftigungslage eher verschlechtern als verbessern wird, da im Sommer eine Rekordzahl von Hochschulabsolventen in das Berufsleben starten will.

Die chinesische Regierung hat vor kurzem ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Stützung der Wirtschaft angekündigt. Dennoch dürfte es schwer werden, das offizielle Wachstumsziel von rund 5,5 Prozent in diesem Jahr zu erreichen. So drohen immer wieder Corona-Lockdowns, da die Regierung eine strenge Null-Covid-Politik verfolgt. Die Behörden in Peking warnten, dass sich die 22-Millionen-Stadt in einem “Wettlauf mit der Zeit” befinde, um den schwersten Ausbruch seit Beginn der Pandemie in den Griff zu bekommen. Weitere Schließungen und Unterbrechungen der Lieferkette bei künftigen Ausbrüchen könnten die Erholung der Wirtschaft beeinträchtigen, sagen Analysten. “Der kurzfristige Trend der Erholung im Juni wird deutlich, aber die Wirtschaft ist noch weit von einem normalen Betrieb entfernt”, sagte Ökonom Wang von der Zhongyuan Bank.

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