Berlin (Reuters) – Nach zwei Jahren Corona-Krise gewinnt das arg gebeutelte Gastgewerbe zunehmend Oberwasser – hinkt aber noch weit hinter den Zeiten vor der Virus-Pandemie hinterher.
“Wir haben 2022 das dritte Verlustjahr in Folge”, sagte Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges vom Branchenverband Dehoga mit Blick auf den Umsatz im Vergleich zu 2019. Für den Sommer sei Besserung in Sicht. “Das wird aber nicht reichen, die Verluste aus dem ersten und zweiten Quartal wettzumachen.” Allein von Januar bis März musste die Branche – bereinigt um steigende Preise – einen Erlösrückgang von einem Drittel verkraften. Der Neustart nach den Lockdowns läuft bei Hotels und Restaurants außerdem holprig, weil die Betriebe in Folge des Ukraine-Kriegs unter steigenden Kosten bei Energie und Lebensmitteln leiden.
Zudem kündigt sich neues Ungemach an: Die anziehenden Corona-Zahlen könnten zu neuen Einschränkungsmaßnahmen führen. “Wir spüren für Herbst und Winter, dass die Unsicherheit zurückkehrt”, sagte der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Guido Zöllick. Die Branche brauche Planbarkeit, verlässliche Perspektiven von der Politik und die beste Pandemie-Vorsorge für den Herbst. “Erneute Beschränkungen und Schließungen werden viele Unternehmen nicht überleben.”
Die Erholung der Branche wird allerdings erschwert durch massiv steigende Kosten und die geringe Kauflaune in Folge des Ukraine-Krieges. Viele Betriebe suchen zudem händeringend Personal, da zahlreiche Fachkräfte dem Gastgewerbe im Lockdown den Rücken gekehrt haben – etwa in Richtung Online-Händler wie Amazon oder Logistik. Ferner sank die Zahl der Azubis. Aktuell erlernen 41.500 junge Menschen einen der sechs Lehrberufe, 2019 waren es noch gut 51.000. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) spricht von einem “Stotterstart” der Branche. “Etliche Betriebe haben schon Zwangsruhetage eingelegt, weil ihnen Personal fehlt”, erklärte NGG-Chef Guido Zeitler.
Von März 2020 bis 2022 habe die Branche nominal fast 75 Milliarden Euro Umsatz verloren, sagte Zöllick und fügte mit Blick auf den Jahresauftakt hinzu: “Verluste im 30-Prozent-Bereich kann man nicht aufholen.” Im April setzte die Branche preisbereinigt (real) 2,6 Prozent mehr um als im Vormonat und im Vergleich zum Vorjahresmonat sogar mehr als das Doppelte, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Allerdings bleibt es trotz des Aufwärtstrends noch ein weiter Weg zum Vorkrisenniveau: Denn die Erlöse lagen real um 24 Prozent unter dem Stand von Februar 2020, dem Monat vor Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutschland.
KOSTENTREIBER INFLATION – “WIRT DARF GÄSTE NICHT VERLIEREN”
Wegen des mauen Geschäfts verwundert es nicht, wenn Hoteliers und Restaurantbetreiber an der Preisschraube drehen. Im Mai lagen die Preise bei Gaststätten- und Beherbergungsdienstleistungen 7,2 Prozent über Vorjahr. Hartges verwies darauf, dass die Personalkosten durch den Mindestlohn um 15 bis 25 Prozent gestiegen seien und die Waren- und Energiekosten seit dem Krieg spürbar anzögen. Es sei logisch, dass ein Gastwirt Gewinne erwirtschaften müsse. “Er muss aber auch schauen, dass er seine Gäste nicht verliert”, räumte Hartges ein. Hier sei viel Fingerspitzengefühl nötig. NGG-Chef Zeitler sagte, Gäste müssten Verständnis zeigen und bereit sein für Essen und Bewirtung etwas mehr auszugeben. “Ein Schnitzel für neun Euro ist heute nicht mehr machbar.”
Das Gastgewerbe setzt auf Rückendeckung der Politik und hofft darauf, dass die Arbeitskräftezuwanderung aus Nicht-EU-Staaten zügig vereinfacht wird. Der Lobbyverband wiederholte auch sein Mantra, die seit dem 1. Juli 2020 geltende Senkung der Mehrwertsteuer über das Jahresende 2022 hinaus beizubehalten. “Die Sieben-Prozent-Mehrwertsteuer muss bleiben”, forderte Zöllick.