Berlin (Reuters) – Die deutschen Großhändler rechnen noch bis Mitte 2022 mit Problemen in Lieferketten, die dann auch zu weiteren Preissteigerungen führen dürften.
Hier gebe es bislang nur in Teilbereichen eine Entspannung, sagte der Präsident des Großhandelsverbands BGA, Dirk Jandura, am Mittwoch. Für fast die Hälfte der Unternehmen sei dies zurzeit ein ernstes Problem. Außerdem kippe die Stimmung wegen der hohen Coronavirus-Infektionen wieder. Von der neuen Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP erwartet der Verband eine schnelle Umsetzung ihrer vielen Versprechen.
In einer Umfrage des BGA geben 44 Prozent der Unternehmen an, massive Probleme zu haben, die benötigten Vorprodukte und Rohstoffe zu beziehen. Für zwei Prozent sind sie sogar existenzbedrohend. 50 Prozent betonen, hier nur leichte Engpässe zu haben. Jandura sagte, es fehle beispielsweise an Baumaterialien, Verpackungen, Elektronikteilen oder Stahl. “Eine schnelle Lösung dieser Probleme gibt es nicht, eine politische Lösung schon gar nicht.” Der Markt müsse das selbst regeln.
Die starke Abhängigkeit von stabilen Lieferketten sei die Achillesferse der deutschen Wirtschaft, sagte Jandura. Nur jeder sechste Großhändler könne zurzeit seine Waren fristgerecht liefern. Fachkräfte und Lkw-Fahrer fehlten. 70 Prozent der befragten Firmen rechneten zunächst mit einer schwieriger werdenden Versorgungslage und auch weiter steigenden Preisen. Im Großhandel lagen die Verkaufspreise im November um 16,6 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Das ist der kräftigste Anstieg seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 1962.
Mit Blick auf den Koalitionsvertrag der Ampel sagten 73 Prozent der BGA-Unternehmen, es komme jetzt auf die Umsetzung an. 23 Prozent gaben an, mehr erwartet zu haben. Die für 2022 und 2023 geplanten “Superabschreibungen” müssten jetzt schnell und praxistauglich ausgestaltet werden. Sie sollen Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung anschieben. Im Großhandel sei dies vor allem bei Investitionen in Lager und Logistik wichtig.
STIMMUNG SCHLECHTER ALS IM SOMMER
“Die Stimmung ist insgesamt noch positiv”, sagte Jandura mit Blick auf die Geschäftslage der Großhändler. Sie habe sich aber seit dem Sommer verschlechtert – von einem Indexwert von 119 auf jetzt 110 Punkte. Werte oberhalb von 100 stehen hier für eine positive Stimmung, Werte unterhalb der Schwelle für eine negative Entwicklung. Bei den Erwartungen ist das Bild noch klarer: Hier ist der entsprechende Teilindex von 114 Zählern auf jetzt 102 abgesackt.
Insgesamt rechnen die Großhändler im kommenden Jahr mit einem langsameren Wachstum. Der Umsatz werde um 5,5 Prozent auf 1,545 Billionen Euro zulegen. Preisbereinigt bleibe davon wohl ein reales Plus von bis zu drei Prozent übrig. Für das zu Ende gehende Jahr erwartet der BGA einen Umsatzanstieg von gut acht Prozent auf 1,465 Billionen Euro. Die Zahl der Beschäftigten in der Branche könne 2022 erstmals die Zwei-Millionen-Marke überspringen.
Jandura ergänzte, die Corona-Pandemie müsse so schnell wie möglich eingedämmt werden und sich das Land zugleich auf weitere Wellen vorbereiten. “Deshalb unterstützen wir die Politik in der Frage der Impfpflicht.” Für eine allgemeine Impfpflicht seien 76 Prozent der befragten Betriebe. Zwölf Prozent sprächen sich für eine Impflicht nur in bestimmten Bereichen aus. “Ein weiterer Lockdown wäre auch für uns und die gesamte Wirtschaft ein schwerer Schlag.”