– von Max Hunder
Kiew (Reuters) – Bei einem russischen Raketenangriff auf die zentral-ukrainische Stadt Winnyzja sind nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag mindestens 20 Zivilisten getötet und Dutzende verletzt worden.
“Heute am Morgen haben russische Raketen unsere Stadt Winnyzja getroffen, eine einfache, friedliche Stadt”, sagte Selenskyj, zugeschaltet bei einer internationalen Konferenz über Kriegsverbrechen in Den Haag. “Raketen trafen zwei Verwaltungsgebäude, Häuser wurden zerstört, ein medizinisches Zentrum wurde zerstört, Autos und Straßenbahnen standen in Flammen. Das ist ein Akt des russischen Terrorismus”, sagte Selenskyj.
Die Stadt liegt rund 200 Kilometer südwestlich von Kiew und fernab der Hauptfronten im Osten und Süden der Ukraine. Das ukrainische Militär teilte mit, Russland habe von einem U-Boot im Schwarzen Meer aus Kalibr-Raketen auf Winnyzja abgefeuert. Nach Angaben der örtlichen Behörden waren unter den Todesopfern auch zwei Kinder. Wohn- und Bürogebäude seien bei dem Angriff zerstört oder schwer beschädigt worden. Der Polizei zufolge mussten rund 90 Verletzte medizinisch behandelt werden, etwa 50 von ihnen befanden sich in einem kritischen Zustand. Unabhängig konnten die Angaben zunächst nicht überprüft werden.
In Filmaufnahmen war zu sehen, wie dichter schwarzer Rauch aus einem großen Gebäude drang. Fotos, die der ukrainische Rettungsdienst online stellte, zeigten Trümmer und ausgebrannte Auto. Auch ein umgestürzter Kinderwagen war zu sehen. Laut den Einsatzkräften gab es einen Raketeneinschlag an einem neunstöckigen Bürogebäude. “Leider gibt es wahrscheinlich keine Hoffnung, (unter den Trümmern) Überlebende zu finden”, sagte ein Vertreter des Rettungsdienstes.
Vom russischen Verteidigungsministerium gab es zunächst keine Stellungnahme zu den Berichten. Russland hat wiederholt Vorwürfe von sich gewiesen, zivile Ziele ins Visier zu nehmen. Auch weist die Regierung in Moskau Anschuldigungen zurück, dass die russischen Truppen in der Ukraine Kriegsverbrechen begingen.
WIEDER ANGRIFFE IN DONEZK UND MYKOLAJIW
Der Angriff auf Winnyzja passt eigentlich nicht ins derzeitige Kriegsgeschehen, da sich die russischen Truppen vor allem auf die Region Donezk im Osten der Ukraine konzentrieren. Nach Luhansk soll auch dieses Gebiet vollständig eingenommen werden. Dann hätte Russland die volle Kontrolle über den Donbass, die industriell geprägte Region, die bereits seit 2014 teilweise von pro-russischen Separatisten kontrolliert wird. Am Donnerstag griffen russische Truppen erneut die Stadt Kramatorsk in Donezk an. Raketen seien im Industriegebiet eingeschlagen, schrieb Bürgermeister Olexandr Hontscharenko auf Facebook. In einigen Teilen der Stadt sei der Strom ausgefallen.
Aber auch im Süden gingen die Angriffe weiter. Die Stadt Mykolajiw lag nach Angaben von Bürgermeister Olexandr Senkewytsch weiter unter russischem Beschuss. Mehrere zivile Gebäude seien getroffen worden, schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. Mykolajiw liegt unweit von Odessa, der größten ukrainischen Hafenstadt, die bereits vereinzelt unter Beschuss geraten ist. Die Ukraine fürchtet, dass Russland auch die Hafenstadt einnehmen will, um dann die gesamte Küste des Schwarzen Meeres zu kontrollieren.
(Weitere Reporter: Anthony Deutsch, Robin Emmott und Bart Meijer in Den Haag; Bearbeitet von Elke Ahlswede und Alexander Ratz; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)