Colombo (Reuters) – In Sri Lanka hat das Parlament Ranil Wickremesinghe zum Nachfolger des nach Massenprotesten zum Rücktritt gezwungenen Präsidenten Gotabaya Rajapaksa gewählt.
Er setzte sich am Mittwoch mit 134 zu 82 Stimmen gegen Dullas Alahapperuma von Rajapaksas Partei SLPP durch. Allerdings ist es fraglich, ob damit die Proteste gegen die politische Elite abreißen werden. Wickremesinghe war bis zur Flucht von Rajapaksa aus dem Inselstaat Ministerpräsident und hat übergangsweise die Amtsgeschäfte des Präsidenten bis zu seiner jetzigen Wahl geführt. Wickremesinghe gilt vielen Sri Lankern als Vertreter des politischen Systems, gegen das sich die Proteste richteten.
Seit Monaten war es in Sri Lanka immer wieder zu Kundgebungen gekommen, die zum Teil von Gewalt begleitet waren. Den 22 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern mangelt es an Lebensmitteln, Treibstoff und Medikamenten. Grund ist unter anderem eine starke Abwertung der Landeswährung, wodurch Importe erheblich teurer wurden. Die Bevölkerung macht Rajapaksa dafür verantwortlich. Vor einer Woche wurde auch Wickremesinghe Ziel der Proteste. Demonstranten stürmten trotz Polizeischutz sein Ministerpräsidenten-Büro und forderten ihn zum Rücktritt auf. Die Wut auf Wickremesinghe entzündete sich auch daran, dass er seinen angebotenen Rücktritt nicht verwirklicht hat.
Wickremesinghe ist ein in Sri Lanka bekannter Spitzenpolitiker und einziger Vertreter der Partei UNP im Parlament. Im Mai wurde er vom Ex-Präsidenten Rajapaksa vereidigt und löste dessen Bruder Mahinda Rajapaksa ab. Allerdings flauten die Proteste mit dieser Personalentscheidung nicht ab. Die Rajapaksa-Dynastie steht für viele Sri Lanker für Vetternwirtschaft und soziale Ungerechtigkeit. Auch Wickremesinghe stammt aus einer prominenten Familie von Politikern und Geschäftsleuten. Erste Regierungserfahrungen sammelte er 1978, als ihn sein Onkel, der damalige Präsident Junius Jayewardene, mit 29 Jahren zum jüngsten Minister des Landes ernannte.
(Bericht von Uditha Jayasinghe, Devjyot Ghoshal and Alasdair Pal, geschrieben von Hans Busemann, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)