BASF erhöht Ziele – “Im Krisenmodus, aber nicht in Panik”

– von Patricia Weiss

Frankfurt (Reuters) – Der weltgrößte Chemiekonzern BASF stellt sich angesichts drohender Gasengpässe und der hohen Inflation auf schwierige Zeiten ein.

Nach einem unerwartet guten zweiten Quartal hob Vorstandschef Martin Brudermüller am Mittwoch zwar die Ziele für 2022 an, im zweiten Halbjahr rechnet er aber mit einer allmählichen Abkühlung der wirtschaftlichen Entwicklung – vor allem in Europa – und will deshalb auch die Kosten senken. “Für alles im Unternehmen hinterfragen wir jetzt dreimal, brauchen wir das jetzt zu dieser Zeit und brauchen wir das langfristig überhaupt”, sagte der Manager. Über alldem schwebt zudem das Damoklesschwert von ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland, von denen BASF als größter industrieller Gasverbraucher in Deutschland massiv betroffen wäre.

“Sollte die Bundesregierung die dritte und letzte Notstandsstufe ausrufen, gehen wir derzeit davon aus, dass BASF noch ausreichend Erdgas erhalten würde, um den Betrieb am Standort Ludwigshafen mit reduzierter Last aufrechtzuerhalten”, sagte Brudermüller. Derzeit würden alle europäischen Standorte der BASF noch bedarfsgerecht mit Erdgas beliefert. Russland schränkte am Mittwoch die Lieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 wie angekündigt weiter ein, diese belaufen sich nur noch auf 20 Prozent der eigentlichen Kapazität. Eine physikalische Gasmangellage, die Voraussetzung für die dritte Stufe des Notfallplans Gas ist, sieht die Bundesnetzagentur aber noch nicht. Deutschland müsse jedoch weniger Gas verbrauchen.

Für die Produktionsstandorte außerhalb Europas erwartet BASF im Falle einer europäischen Gasverknappung kaum Auswirkungen. Massiv betroffen wäre aber der größte Standort am Stammsitz Ludwigshafen mit rund 39.000 Mitarbeitern. Brudermüller hatte bereits gewarnt, dass das Unternehmen seine Produktion dort einstellen müsste, wenn die Gasversorgung dauerhaft auf unter die Hälfte des Bedarfs sänke. Es wäre das erst Mal in der 157-jährigen Geschichte des Standorts. “Wir gehen davon aus, dass wir das schaffen und nicht in die Abstellung kommen, aber garantieren kann das keiner.” Wenn die Versorgung nicht unter etwa 50 Prozent des maximalen Bedarfs falle, könne Ludwigshafen mit reduzierter Last weiter betrieben werden. “Wir befinden uns im Krisenmodus, aber wir geraten nicht in Panik.” BASF sei auf alle möglichen Szenarien vorbereitet.

BASF FÄHRT AMMONIAKPRODUKTION ZURÜCK

Einen Ausfall europäischer Kapazitäten könnte BASF teilweise durch eine höhere Anlagenauslastung an außereuropäischen Standorten ausgleichen. Zur Verringerung seines Erdgasbedarfs – in Ludwigshafen werden je rund 50 Prozent zur Strom- und Dampferzeugung sowie als Rohstoffe verwendet – greift BASF unter anderem zu Heizöl. In Ludwigshafen können rund 15 Prozent des für die Strom- und Dampferzeugung benötigten Erdgases durch Heizöl ersetzt werden, am zweitgrößten deutschen Standort in Schwarzheide kann der Strom- und Dampfbedarf bereits vollständig mit Heizöl erzeugt werden.

Bei Anlagen, die große Ergasmengen benötigen, wie die für Ammoniak, fährt BASF die Produktion zurück und kauft Ammoniak bei externen Anbietern ein. Kandidaten für Kürzungen sind zudem die Acetylenanlage und die Synthesegasproduktion, auf die zusammen weitere fast 25 Prozent des gesamten Gasbedarfs als Einsatzstoff entfallen. Bei der Prognose für dieses Jahr unterstellt BASF, dass es weder zu Produktionsabstellungen aufgrund einer Gasmangellage in Europa kommt, noch zu starken Einschränkungen durch erneute Corona-Lockdowns in China. Nachdem der Chemieriese im zweiten Quartal besser als von Analysten erwartet abschnitt, erhöhte der BASF-Chef nun die Ziele.

Für 2022 rechnet Brudermüller jetzt mit einem Umsatz von 86 bis 89 Milliarden Euro und einem operativen Ergebnis (Ebit) vor Sondereinflüssen von 6,8 bis 7,2 Milliarden. Bisher waren ein Umsatz zwischen 74 und 77 (Vorjahr: 78,6) Milliarden Euro sowie ein bereinigtes Ergebnis zwischen 6,6 und 7,2 (7,8) Milliarden in Aussicht gestellt worden. Brudermüller zeigte sich zuversichtlich, das obere Ende der Ergebnisprognose erreichen zu können. Die positive Geschäftsentwicklung des zweiten Quartals habe sich im Juli fortgesetzt. Die Unsicherheiten hätten aber weiter zugenommen und die höheren Zinsen dürften sich zunehmend auf die Nachfrage auswirken und das Wachstum 2023 bremsen.

Weitere Risiken können sich aus dem Verlauf der Pandemie und erneuten Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionszahlen ergeben. “Der wirtschaftlichen Abkühlung treten wir mit Kostenreduktionsmaßnahmen entgegen”, sagte Brudermüller. Er sprach von einer “ganzen Latte an Maßnahmen”, die geprüft würden. Für 2022 peilt BASF nun Investitionen von unter vier Milliarden Euro an statt der ursprünglich geplanten 4,6 Milliarden. An den geplanten Investitionsausgaben für die kommenden fünf Jahre hielt der Vorstand allerdings fest.

(Bericht von Patricia Weiß und Ludwig Burger, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

tagreuters.com2022binary_LYNXMPEI6Q083-VIEWIMAGE