Preisauftrieb lässt weiter nach – “Inflation macht Verschnaufpause”

Berlin (Reuters) – Der Preisauftrieb in Deutschland hat im Juli den zweiten Monat in Folge nachgelassen und Hoffnung auf ein Abebben der Inflationswelle genährt.

Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 7,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Donnerstag mitteilte. Im Juni war die Inflationsrate bereits auf 7,6 Prozent zurückgegangen, nachdem sie im Mai noch mit 7,9 an der Acht-Prozent-Marke gekratzt hatte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten für Juli mit einem noch etwas stärkeren Rückgang auf 7,4 Prozent gerechnet.

“Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine sind insbesondere die Preise für Energie merklich angestiegen und beeinflussen die hohe Inflationsrate erheblich”, erklärten die Wiesbadener Statistiker. Im Juli lagen die Energiepreise demnach um 35,7 Prozent höher als im Vorjahresmonat. Auch die Preise für Nahrungsmittel stiegen mit 14,8 Prozent überdurchschnittlich. Sondereffekte wie die Auswirkungen des 9-Euro-Tickets und des Tankrabatts sind in den Ergebnissen zwar enthalten. In welchem Ausmaß sie sich genau ausgewirkt haben, lässt sich laut Destatis mit den vorläufigen Ergebnissen jedoch noch nicht darstellen.

“Neun-Euro-Ticket und Benzinpreisbremse dämpfen derzeit den Inflationsdruck. Im Herbst werden hingegen wieder starke Nerven bei den Inflationsstatistiken gefragt sein”, meint ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann. Wenn wieder “normale Preise” im ÖPNV gezahlt würden und der Benzinpreis erneut in Richtung zwei Euro schnelle, springe auch die Inflationsrate nach oben, prophezeit der Mannheimer Experte. Auch Commerzbank-Ökonom Marco Wagner sieht in dem Rückgang in den beiden Sommermonaten nur eine “Verschnaufpause” der Inflation.

Das Ifo-Institut geht hingegen auf Basis einer Unternehmensumfrage davon aus, dass der Hochpunkt der Inflation voraussichtlich erreicht sein dürfte. LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch ist sich da nicht so sicher: “Ich würde noch nicht so weit gehen, dass wir den Hochpunkt erreicht haben.” Es sei beispielsweise noch völlig unklar, wie sich die Energiekosten für die Verbraucher entwickelten.

Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, geht davon aus, dass es vor dem Winter kaum Entspannung bei der Inflation geben wird: “Die russischen Liefereinschränkungen haben den Erdgaspreis nochmals angehoben. Die geplante Erdgas-Umlage wird zwar in den kommenden Monaten die Inflation weiter leicht erhöhen. Damit werden aber nur die ohnehin noch zu erwartenden Überwälzungen der hohen Erdgaspreise in Deutschland etwas vorgezogen.” Dies schaffe dann bessere Voraussetzungen dafür, dass sich die Inflation im kommenden Jahr beruhige.

(Bericht von Reinhard Becker; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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