– von Oliver Hirt und Paul Arnold
Zürich (Reuters) – Inmitten der Mega-Übernahme der Credit Suisse wechselt die Schweizer Großbank UBS überraschend den Konzernchef aus.
Mit der risikobehafteten Zusammenführung der beiden weltweit systemrelevanten Institute mit insgesamt rund 120.000 Mitarbeitern betraut die UBS den früheren Konzernlenker Sergio Ermotti. Der gelernte Investmentbanker hatte die UBS während seiner neunjährigen Amtszeit tiefgreifend umgebaut und die Risiken reduziert. Der jetzige UBS-Chef Ralph Hamers werde die Bank nach einer Übergangsphase verlassen. Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher lobte Hamers am Mittwoch auf einer Pressekonferenz zwar, ergänzte aber: “Unser Gefühl war, dass wir ein besseres Pferd haben.”
Am Tag nach der Credit-Suisse-Rettung am 19. März rief Kelleher erstmals Ermotti an. “Ich hatte das Gefühl, dass die Pflicht gerufen hat”, erklärte Ermotti seinen Wiedereinstieg bei der UBS, der für den 5. April vorgesehen ist. Zudem habe er sich schon während seiner früheren Zeit als UBS-Lenker mit der Idee einer Großübernahme getragen. “Trotz all dieser Diskussionen über die Größe der Bank hatte ich immer das Gefühl, dass das nächste Kapitel, das ich schreiben wollte, eine Transaktion wie diese war.”
Ermotti übernimmt eine Herkulesaufgabe. Der Schweizer, der im Mai 63 wird, muss das Investmentbanking der Credit Suisse eindampfen, Tausende Stellen abbauen und hochkomplexe Informatiksysteme zusammenführen. “Dies ist die größte Transaktion in der Finanzbranche seit 2008”, erklärte Kelleher. Die Investoren sähen zwar erhebliche Chancen, seien aber sehr besorgt über die mit der Zusammenführung der beiden Konzerne verbundenen Risiken. “Der Verwaltungsrat war der Meinung, dass Sergio der bessere Pilot für diese Reise ist”, sagte Kelleher.
HILFREICH, SCHWEIZER ZU SEIN
Die Schweizer Regierung und die Regulierungsbehören hatten die UBS vor rund zehn Tagen dazu gedrängt, die mit einem Bankensturm konfrontierte Credit Suisse praktisch über Nacht zu schlucken. Für die Übernahme griff die Regierung auf Notrecht zurück. In der Schweiz fielen die Reaktionen überwiegend negativ aus. Politiker und die breite Öffentlichkeit befürchten, dass der Wettbewerb mit nur noch einer Großbank leiden und dass die Schweiz den neuen Giganten UBS im Notfall kaum mehr retten könnte. Nach Ostern berät das Parlament über mögliche Auflagen für die UBS.
Als langjähriger UBS-Konzernchef und gegenwärtiger Präsident des Rückversicherers Swiss Re dürfte Ermotti in der Schweizer Politik besser verdrahtet sein als der Niederländer Hamers. Kelleher erklärte, dass die Staatsbürgerschaft beim Entscheid für Ermotti nicht entscheidend gewesen sei. “Es ist hilfreich, Schweizer zu sein, aber der Großteil unseres Geschäfts ist global.” Es gehe nicht darum, politischen Risiken zu begegnen, sondern darum, die beste Person für die Umsetzung der Fusion zu haben.
Auch die Anleger applaudierten. “Welcome back, Sergio…and do it again”, erklärte Vontobel-Analyst Andreas Venditti. Ermotti habe die UBS nach der Finanzkrise neu aufgestellt, indem er die Investmentbank gestutzt und einen tiefgreifenden Kulturwandel durchgesetzt habe. Diese Erfahrung, zusammen mit seinem tiefen Verständnis der Finanzdienstleistungsbranche in der Schweiz und rund um den Globus, machten Ermotti zum idealen Firmenlenker. Die UBS-Aktien zogen zwei Prozent an. “Die Entscheidung, Sergio Ermotti zurückzuholen, ist sehr positiv, da sie das Integrations- und Ausführungsrisiko um 80 Prozent senkt”, sagte Davide Serra, Chef von Algebris Investments.
ERMOTTI SETZTE BEI UBS AUF GESCHÄFTE MIT MILLIARDÄREN
Ermotti übernahm die Führung der UBS 2011, nachdem Fehlspekulationen eines Händler für einen Milliardenverlust gesorgt hatten. Er dampfte zusammen mit dem damaligen Verwaltungsratspräsidenten Axel Weber das Geschäft mit Anleihen, Devisen und Rohstoffen ein und fuhr die Risiken zurück. Im Gegenzug setzte die UBS von nun an noch stärker auf das Geschäft mit Millionären und Milliardären, wo der Konzern aus Zürich nach der amerikanischen Morgan Stanley gegenwärtig weltweit die Nummer zwei ist.
Auch die Credit Suisse gehört in dem Geschäft zu den Großen. Doch mangelnde Kontrollen in dem Bereich, vor allem aber auch im Investmentbanking, sorgten für eine lange Reihe von Fehlschlägen und Skandalen. 2022 fuhr das Institut einen Verlust von über sieben Milliarden Franken ein, das Vertrauen der Kunden bröckelte weiter und sorgte für massive Geldabflüsse. Am 19. März Schritt die Schweizer Regierung ein, weil die Credit Suisse den nächsten Tag wohl nicht überlebt hätte.
“ALLE MÜSSEN DURCH KULTURFILTER”
Vorerst wollte sich Ermotti nicht in die Karten Blicken lassen, was er bei der UBS vorhat. Er bat um “ein paar Monate” Zeit, um seine Marschroute festzulegen. “Wir können keine übereilten Entscheidungen treffen, die wir dann bedauern.” Er werde sicherstellen, dass die Maßnahmen im besten Interesse der Schweizer Steuerzahler seien. Ermotti deutete an, dass für Schlüsselpositionen auch Credit-Suisse-Mitarbeiter in Frage kämen. Kelleher betonte aber, dass die UBS nicht die Risiko-Kultur der Credit Suisse übernehmen wolle. “Wir müssen alle durch einen Kulturfilter laufen lassen, um sicherzustellen, dass wir nicht etwas in unser Ökosystem importieren.”
Hamers will Ermotti noch einige Monate zur Hand gehen. Was Hamers danach macht, weiss er noch nicht. Schon bei seiner Ernennung gab es Stimmen, die seine mangelnde Erfahrung in der Vermögensverwaltung und auch im Investmentbanking kritisierten. Bei der UBS profilierte sich der Retail-Banker vor allem mit Digitalisierungsprojekten und einem Aufbrechen der hierarchischen und komplexen Organisation. Obwohl die Bank während seiner Zeit den höchsten Gewinn seit der Finanzkrise einfuhr, konnte er viele Mitarbeiter nicht richtig für sich einnehmen. Zudem spekulierten Medien wiederholt über die Frage, wie gut Kelleher und Hamers harmonierten. Über Hamers hängt zudem das Damoklesschwert einer Untersuchung der Justiz zu Vorkommnissen während seiner Zeit als ING-Chef.
(Weitere Reporter John Revill und John O’Donnell, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)