– von Ilona Wissenbach
Frankfurt (Reuters) – Hohe Inflation und trübe Wirtschaftsaussichten sollen den Steigflug der Lufthansa nach der Corona-Krise nicht bremsen.
“Die Lust zu reisen und damit die Nachfrage nach Flugtickets ist weiter ungebrochen”, erklärte Lufthansa-Chef Carsten Spohr am Donnerstag. “Die Lufthansa Group hat die Pandemie wirtschaftlich hinter sich gelassen und blickt optimistisch nach vorne.” Das gelte auch für 2023. Nach der Erholung im Sommerquartal werde der Gewinn im kommenden Jahr weiter steigen, sagte Finanzchef Remco Steenbergen. Die Lufthansa profitierte im dritten Quartal von gestiegenen Ticketpreisen. Auch hier macht Spohr keine Trendwende aus: “Ich sehe kein Ende der höheren Durchschnittserlöse im vierten und ersten Quartal.”
Analysten mahnen zu Vorsicht: Steigende Kosten für Energie und Lebenshaltung könnten die Reiselust verderben. Das vierte Quartal sei zwar vielversprechend, erklärte Johannes Braun von Stifel Research. “Das Blatt wird sich im nächsten Jahr wenden, wenn der Nachfragestau abgearbeitet ist, der Konsum schwächer und Kosten für Treibstoff und Personal steigen.”
Doch Spohr führte mehrere Faktoren für seine Zuversicht ins Feld. Die Zeit der Überkapazitäten, die Ticketpreise drückten, komme so bald nicht wieder. Denn die Flugzeugbauer Airbus und Boeing könnten wegen Teilemangels nicht so schnell neue Flugzeuge fürs Flottenwachstum liefern. Selbst die Wartung leide unter Engpässen, sodass Maschinen am Boden bleiben müssten. “Derzeit ist es weltweit unmöglich, ein Cockpitfenster für die 787 zu bekommen.” Personalmangel werde ebenfalls noch länger das Angebotswachstum begrenzen. Geschäftsreisen blieben auf Erholungskurs, weil die Unternehmen sich wegen Risiken in Lieferketten mehr und neue Geschäftspartner suchten, die sie persönlich treffen wollten. Von einer Rezession in Deutschland sei die Lufthansa wenig betroffen, weil sie mittlerweile drei Viertel ihrer Tickets an anderen Märkten verkaufe. Und das für sie wichtige Nordatlantik-Geschäft bleibe robust, da der starke Dollar viele Reisende aus den USA nach Europa locke.
So will die Airline-Gruppe, zu der neben Lufthansa der Ferienflieger Eurowings auch Swiss, Austrian und Brussels Airlines gehören, nach 650 Flugzeugen in diesem Sommer 700 Flieger im nächsten einsetzen. Im nächsten Jahr sollen 85 bis 90 Prozent der Kapazität von 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie, am Start sein – nach 75 Prozent 2022.
AIRLINES ALLE PROFITABEL
Die Lufthansa vervierfachte von Juli bis September den Betriebsgewinn auf 1,1 Milliarden Euro bei einem fast verdoppelten Umsatz von zehn Milliarden Euro. Der MDax-Konzern hatte daher kürzlich schon die Jahresprognose ebenfalls verdoppelt auf einen bereinigten Betriebsgewinn von mehr als einer Milliarde Euro, was nach neun Monaten schon fast erreicht ist. Unter dem Strich verdiente die Lufthansa 809 Millionen Euro im dritten Quartal nach einem Verlust von 72 Millionen Euro vor Jahresfrist. Die Durchschnittserlöse, ein Gradmesser für die Ticketpreise, waren sogar 23 Prozent höher als 2019. Geschäftsreisende und Urlauber gönnen sich häufiger als früher die teureren Buchungsklassen. Insgesamt flogen im dritten Quartal 33 Millionen Passagiere mit den Lufthansa-Airlines nach 20 Millionen im Vorjahr.
Erstmals seit Ausbruch der für die Luftfahrt desaströsen Corona-Pandemie war auch die Hauptmarke Lufthansa wieder profitabel, sodass die Passagier-Airlines den größten Ergebnisbeitrag lieferten. Ohne die vielen Flugstreichungen wegen der Betriebsstörungen durch Personalmangel bei Airlines und an Flughäfen wäre das Ergebnis noch besser ausgefallen. Statt der einst geplanten 85 Prozent der Vorkrisenkapazität konnte die Lufthansa-Gruppe nur 78 Prozent abheben lassen. Die Kosten für Unregelmäßigkeiten im Flugverkehr beliefen sich auf 239 Millionen Euro.
Der Ferienflieger Eurowings verdiente mit 103 Millionen Euro trotz des starken Sommergeschäfts etwas weniger als vor Jahresfrist. Das liege an hohen Trainingskosten für neues Personal. Auch habe die mit den Billigfliegern konkurrierende Airline nicht so hohe Ticketpreise erzielen können, erklärte Spohr. Der Durchschnittserlös stagnierte. Der dreitägige Pilotenstreik bei Eurowings im Oktober kostete die Airline rund 30 Millionen Euro. Der Beschluss des Managements, die Flotte deshalb nicht um fünf Flugzeuge wachsen zu lassen sei unumkehrbar. “Diese Botschaft wurde verstanden”, sagte Spohr. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit habe deshalb die Tarifverhandlung mit dem Arbeitgeber wieder aufgenommen.
(Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)