Kairo/Tripolis/Tunis (Reuters) – In Libyen hängt der Friedensprozess nach der kurzfristigen Absage der Präsidentenwahl in der Schwebe.
Als neuen Termin für die erste Runde des Urnengangs schlug der Wahlausschuss am Mittwoch den 24. Januar vor. Die eigentlich für den Nationalfeiertag am Freitag unter Aufsicht der UN geplante Wahl sollte das Chaos im Land beenden, das in den Nachwirren des Bürgerkriegs steckt. Nun gerät der Friedensplan der Vereinten Nationen (UN) ins Wanken und die erst dieses Jahr ins Amt gekommene Übergangsregierung wackelt.
Die UN-Gesandte für Libyen, Stephanie Williams, forderte “freie, faire und glaubwürdige Wahlen”. Die US-Botschaft verlangte von der Politik, “schleunigst” alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen und eine Liste der Bewerber fertigzustellen.
Die Wahl gilt als wichtiger Schritt in den Bemühungen, eine neue politische Führung zu installieren, deren Legitimität weithin akzeptiert wird. Seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 herrscht Chaos in dem ölreichen nordafrikanischen Land. 2014 spaltete es sich in eine östliche und eine westliche Kriegspartei.
Auch die Zukunft der im März im Rahmen des Friedensprozesses ins Amt gekommenen Übergangsregierung hängt nun in der Schwebe.
Der Wahlausschuss des Parlaments erklärte, das Mandat der Regierung werde am Freitag auslaufen. Als eine der Ursachen für das entstandene Wahlchaos gilt ein unter Parlamentspräsident Aguila Saleh im September ausgefertigtes umstrittenes Gesetz, wonach Präsidentschafts- und Parlamentswahlen getrennt werden sollen – entgegen den von den UN vorgelegten Plan, der zeitgleiche Wahlen am 24. Dezember vorsah. Da Saleh auch bei der Präsidentenwahl antritt, gilt dessen Schritt Kritikern als Manöver, sich selbst damit in eine bessere Position zu bringen.
Rivalisierende Kandidaten und politische Gruppierungen beschuldigten sich gegenseitig, den Wahlprozess zu blockieren oder zu manipulieren. Zugleich sind Bewerber um das Präsidentenamt umstritten: Der Kommandeur der östlichen Bürgerkriegspartei, Chalifa Haftar, ist für viele Bürger im Westen des Landes ein rotes Tuch, seit er 2019/20 versuchte, Tripolis zu erobern und dabei Teile der Hauptstadt in Schutt und Asche legte. Für böses Blut sorgt zudem die Kandidatur des Übergangsministerpräsidenten Abdulhamid al-Dbeibah, der entgegen ursprünglicher Ankündigungen doch antreten will und sich laut Kritikern mit dem Amtsbonus einen unfairen Vorteil verschafft.