Berlin (Reuters) – Top-Ökonomen halten die von Bundesfinanzminister Christian Lindner wegen stark gestiegener Energiepreise ins Spiel gebrachte höhere Pendlerpauschale für keine gute Idee.
“Eine Erhöhung der Pendlerpauschale wäre das falsche Signal und ökonomisch kontraproduktiv”, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. “Es würde das Pendeln mit dem Auto noch stärker subventionieren, als es ohnehin schon der Fall ist, wohingegen Menschen in der Stadt etwa bei den Heizkosten weniger oder gar nicht profitieren würden.” Zugute kommen würde dies zudem Besserverdienern, während Menschen mit geringen Einkommen “wieder einmal den Kürzeren ziehen würden”.
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). “Die Pendlerpauschale ist ein zu grobes Instrument, das gerade den unteren Einkommensgruppen kaum bis gar nicht hilft und auch sonst wenig treffsicher ist”, sagte IfW-Vizepräsident Stefan Kooths. So würden höhere Gaspreise im Wesentlichen auf die Wärmekosten durchschlagen, während Nutzer des Öffentlichen Personennahverkehrs bereits anderweitig von Subventionen profitierten. “Staatliche Subventionen werden nicht von einem Dritten bezahlt, sondern von den Steuerzahlern”, fügte Kooths hinzu.
Lindner hatte sich zuvor offen für eine Anhebung gezeigt. “Wenn es da eine Einigung gebe, daran etwas zu tun, würde es am Finanzminister nicht scheitern”, sagte der FDP-Politiker in der Sendung RTL Direkt. “Denn in der Tat, in der breiten Mitte der Gesellschaft sind Menschen betroffen von den steigenden Energiekosten.” Kritik an der Äußerung kommt auch aus der Opposition. “Besser wäre eine temporäre Senkung der Mehrwertsteuer auf Kraftstoffe, Heizöl und Strom von 19 auf 7 Prozent”, sagte der finanzpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke, Christian Görke. “Das hilft sofort. Polen hat es vorgemacht.” Dort seien die Preise an der Tankstelle am Tag der Steuersenkung gleich um 20 Cent gefallen.
Dem Statistischen Bundesamt zufolge nutzten 2017 – jüngere Daten liegen nicht vor – rund 18,4 Millionen Pendlerinnen und Pendler zumindest für einen Teil des Arbeitsweges das Auto. Die Pendlerpauschale wurde Anfang 2021 von 30 auf 35 Cent ab dem 21sten Kilometer angehoben, um Beschäftigte mit langen Arbeitswegen zu entlasten. Sie kann unabhängig vom benutzten Verkehrsmittel geltend gemacht werden.