Frankfurt (Reuters) – Die hochschnellenden Wohnimmobilienpreise in Deutschland und anderen europäischen Ländern rufen die EU-Risikowächter auf den Plan.
An die zuständigen Ministerien in Deutschland und Österreich seien Schreiben mit Empfehlungen zur Eindämmung des Preisschubs gegangen, teilte der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) am Freitag mit. Die Risikowächter hatten Deutschland 2019 und Österreich bereits 2016 Warnschreiben geschickt. Die Risiken seien aber nicht ausreichend berücksichtigt worden, erklärte der ESRB. Warnungen sprach er zudem für Bulgarien, Kroatien, Ungarn, Lichtenstein und die Slowakei aus.
Die Gefahren unterschieden sich von Land zu Land, teilten die Risikowächter mit. In manchen Staaten könnten diese durch Reformen im Wohnungsmarkt und in der Steuerpolitik angegangen werden. Deutschland habe zwar 2017 den rechtlichen Rahmen geschaffen, um auf Kreditnehmer bezogene Instrumente einzuführen wie etwa eine Obergrenze für die Kredite bezogen auf den Immobilienwert. Keines dieser Instrumente sei aber genutzt worden. Inzwischen habe sich jedoch der Immobilienpreisschub ausgedehnt und betreffe sowohl urbane als auch ländliche Gebiete. “In der Folge weisen existierende Schätzungen auf eine hohe und steigende Überbewertung von Hauspreisen in Deutschland hin,” warnten die Risikowächter.
Sie schlagen vor, auf die Kreditnehmer zielende Maßnahmen einzuführen. Dabei haben sie vor allem die in der Immobilienfinanzierung wichtige LTV-Quote (“loan to value”) im Blick. Diese gibt das Verhältnis der Kredithöhe zum Immobilienwert wieder. Je höher die Quote ausfällt umso größer ist das Risiko, dass der Kreditnehmer das Darlehen nicht bedienen kann. Die deutschen Behörden sollten zügig eine rechtlich bindende oder – falls das nicht möglich sein sollte – eine rechtlich nicht bindende Obergrenze für die LTV-Quote einführen, empfahlen die Risikowächter.
Bundesfinanzminister Christian Lindner wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass die durchschnittliche LTV-Quote seit Ausbruch der Pandemie stetig gesunken sei. Zudem führte er das von der Finanzaufsicht Bafin im Januar auf den Weg gebrachte Maßnahmenbündel an. Der Koalitionsvertrag enthalte außerdem eine Zusage, die Grundlage für die Einführung einkommensabhängiger Instrumente zu schaffen. Erforderliche Gesetzesinitiativen würden in den kommenden Monaten starten, hieß es in seiner Stellungnahme von Ende Januar.
FINANZAUFSICHT BAFIN VERLANGT MEHR KRISENPOLSTER VON BANKEN
In Deutschland hatte die Finanzaufsicht BaFin vor kurzem den sogenannten antizyklischen Kapitalpuffer auf 0,75 Prozent von null angehoben. Banken müssen daher wieder größere Krisenpolster bilden. Außerdem soll ein spezieller Systemrisikopuffer für Immobilienkredite von zwei Prozent eingeführt werden. Die Aufseher mahnten Banken und Versicherer darüber hinaus, bei der Kreditvergabe besonders vorsichtig zu sein. Finanzierungen mit hohem LTV sollten restriktiv behandelt werden. Kreditnehmer sollten jederzeit in der Lage sein, ihre Zins- und Tilgungszahlungen aufbringen zu können.
Zum Teil entsprechen diese Schritte auch den Empfehlungen des ESRB. Denn dieser schlägt neben der Einführung einer Obergrenze für die LTV-Quote auch vor, von Banken mehr Krisenpolster zu verlangen. Auch die Schaffung eines Systemrisikopuffers gehört dazu.