– von Andreas Rinke und Elizabeth Pineau und John Irish
Berlin/Paris (Reuters) – Die Europäer leiten einen militärischen Rückzug aus dem westafrikanischen Mali ein.
Frankreich und seine Partner kündigten am Donnerstag ein Ende der Anti-Terror-Mission Barkhane und Takuba an und wollen ihre dort beteiligten Soldaten abziehen. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht stellte danach auch die EU-Ausbildungsmission EUTM infrage und forderte zudem eine Überprüfung der UN-Stabilisierungsmission Minusma. Denn dort sei man etwa auf die Unterstützung durch französische Kampfhubschrauber angewiesen. Nun müssten andere Nationen dies kompensieren. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte an, dass man sich aber nicht aus der Sahel-Zone zurückziehen wolle.
Auslöser des Rückzugs sind die wachsenden Spannungen mit den Militärmachthabern in der malischen Hauptstadt Bamako. Diese hatten die Wahlen um Jahre verschoben und zuletzt russische Söldner zu ihrem Schutz angeheuert. Die europäischen Staaten und auch Deutschland hatten sich in den vergangenen Jahren in der Sahel-Zone verstärkt engagiert, weil diese als wichtig für die Stabilität und Sicherheit der EU-Südgrenze angesehen wird. Zum einen sind dort extremistische Milizen wie der IS aktiv. Zum anderen verlaufen durch die Länder wichtige Routen der Migration und des Schmuggels Richtung EU.
MACRON: HERZ DES MILITÄREINSATZES KÜNFTIG NIGER
Die frühere Kolonialmacht Frankreich hatte bisher den größten Teil des Anti-Terror-Kampfes in der Sahel-Zone übernommen und leitete die Operation Barkhane vom Tschad aus. Vor allem Deutschland und Frankreich hatten die Bildung eigener Streitkräfte der fünf Sahel-Länder Burkina Faso, Mauretanien, Mali, Niger und Tschad im Kampf gegen islamistische Extremisten unterstützt. Die Region wird aber zunehmend von Militärputschen erschüttert. In Mali führte dies zu wachsenden Spannungen mit den seit 2021 dort führenden Militärs. Vor wenigen Wochen mussten dänische Soldaten das Land verlassen, der französische Botschafter wurde des Landes verwiesen. Macron hatte am Mittwochabend eine Reihe von Regierungen zu einem Treffen nach Paris geladen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. “Das Herz der Militäroperation wird nicht mehr Mali, sondern Niger sein”, sagte Macron am Donnerstag. Niger ist das Sahel-Land, auf das auch die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel die deutsch Hilfe konzentriert hatte. Macron bestritt, dass der französische Anti-Terror-Einsatz gescheitert sei.
LAMBRECHT: FÜHRUNG IN MALI HÄLT ZUSAGEN NICHT EIN
Verteidigungsministerin Lambrecht und Außen-Staatsministerin Katja Keul (Grüne) verteidigten den angekündigten französischen Rückzug, betonten aber auch die Auswirkungen auf das deutsche Engagement in anderen Missionen in Mali. “Die Militärregierung in Bamako hat bisher keine glaubhaften Signale gesendet, zügig zur Demokratie zurückzukehren und legt zudem dem französischen Engagement Steine in den Weg”, sagte Keul, die selbst Gespräche in Mali geführt hatte. “Ich muss sagen, dass ich sehr skeptisch bin, ob es bei EUTM zu einer Verlängerung des Mandates kommt”, sagte Lambrecht in Brüssel mit Blick auf die EU-Ausbildungsmission. Es sei die Frage, wen man bei dieser Mission eigentlich ausbilde, fügte sie mit Blick auf die Militärregierung in dem Land hinzu. Die Verschiebung der Wahlen um Jahre entspreche nicht den Erwartungen, die malische Führung habe ihre Zusagen nicht eingehalten.
Zudem müsse nach dem angekündigten Abzug der Franzosen aus den Anti-Terror-Einsätzen die Zusammenarbeit in der UN-Friedenstruppe Minusma überprüft werden. Denn dabei habe man sich auf französische Fähigkeiten wie ein Lazarett und Kampfhubschrauber gestützt. Man müsse mit den Partnern darüber sprechen, wer dies übernehmen könne, sagte Lambrecht. Das Lazarett könne Deutschland “relativ einfach und unkompliziert kompensieren”. Aber der Einsatz von Kampfhubschraubern zum Schutz der Truppe würde ein völlig verändertes Mandat bedeuten, dem der Bundestag zustimmen müsse.
Die Bundeswehr hat rund 1000 Soldaten als Teil der UN-Friedenstruppe Minusma in Mali stationiert. Weitere etwa 300 Soldaten sind an der europäischen Ausbildungsmission EUTM beteiligt. Die Mandate laufen im Mai aus. Nach dem von den USA ausgelösten hektischen Rückzug westlicher Staaten aus Afghanistan gibt es auch kritische Stimmen zur Fortsetzung des Engagements in Mali. Allerdings wird in Sicherheitskreisen auch darauf verwiesen, dass dies verheerende Folgen haben könnte. Zum einen sei Russland dann über die Söldnertruppe nach Libyen noch in einem weiteren Land an der EU-Südgrenze präsent. Zum anderen habe der Anti-Terror-Kampf dazu beigetragen, die Aktivitäten des IS in der Region zu begrenzen, die mehrfach schwere Angriffe in der Sahel-Zone verübt hatten. Ein Abzug europäischer Truppen könnte dazu führen, dass der IS an Boden gewinne.
Die Nichtregierungsorganisation Oxfam sprach von einem “schrecklichen Scheitern” der Anti-Terror-Missionen. Oxfams Regionaldirektorin für die Region Westafrika, Assalama Dawalack Sidi, sagte, dass man sei langem vor einem rein militärischen Ansatz gewarnt habe, weil dieser die Ursachen der Krise in der Sahelzone nicht beseitige.