(Reuters) – Nach ihrer Notfall-Zinserhöhung Ende Februar infolge des Ukraine-Kriegs hält die russische Zentralbank vorerst die Füße still.
Die mit Sanktionen des Westens belegte Notenbank beließ am Freitag den Leitzins bei 20 Prozent. Sie warnte nach ihrer jüngsten Sitzung aber davor, dass die Inflation weiter steigen und die Wirtschaft schrumpfen werde. “Die Inflation wird in diesem Jahr und höchstwahrscheinlich im nächsten Jahr höher ausfallen als in früheren Schätzungen”, sagte Notenbank-Chefin Elvira Nabiullina nach der Zinssitzung. Das Bruttoinlandsprodukt werde in den kommenden Quartalen sinken. Russlands Zentralbank hatte wenige Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine unter dem Eindruck der massiven Sanktionen des Westens und des Kursabsturzes des Rubel den Leitzins in einem Zug von 9,5 Prozent auf 20 Prozent gehievt.
“Die Hauptunsicherheit liegt in den externen Bedingungen für den Handel unter einem erhöhtem Druck von Sanktionen”, sagte Nabiullina. Die Beschränkungen hätten einen erheblichen Teil der Exporte und Importe Russlands getroffen. Neben den offiziellen Sanktionen könne auch die Entscheidung ausländischer Firmen, ihren Geschäftsbetrieb in Russland einzustellen, einen ernsthaften Einfluss auf die Lage haben. Die Notenbank-Gouverneurin merkte zudem an, sie rechne mit einer Abschwächung der Kreditvergabe. Russlands Zentralbank will neue Konjunkturprognosen zur Zinssitzung im April vorlegen.
Das Bankensystem arbeite fehlerfrei, sagte die Notenbankchefin. Die Liquiditätslage habe sich stabilisiert. “Wir stellen den Banken in vollem Umfang die notwendigen Mittel zur Verfügung.” Ende Februar seien bei den Finanzinstituten in erheblichem Umfang Rubel-Gelder von den Konten abgezogen worden. In den vergangenen zwei Wochen seien diese aber in langfristige Einlagen zurückgeflossen. Dabei habe auch die kräftige Anhebung der Leitzinsen eine Rolle gespielt. “Ich merke an, dass eine solche Zinserhöhung eine vorübergehende Anti-Krisen-Maßnahme ist.” Wenn es eine ausreichende Stabilisierung gebe, würden die Zinsen sinken.
PUTIN WILL NOTENBANKCHEFIN IM AMT BEHALTEN
Eine Inflationsprognose für das laufende Jahr wagten die Währungshüter angesichts der schweren Wirtschafts- und Finanzkrise nicht. Sie sagten lediglich voraus, dass die Teuerung 2024 zum Notenbankziel von vier Prozent zurückkehren werde. Eine unabhängige Umfrage unter Analysten, die die Zentralbank diesen Monat in Auftrag gegeben hatte, sagt für dieses Jahr eine Inflation von 20 Prozent voraus. Die Experten rechnen zudem damit, dass die Wirtschaft 2022 um acht Prozent schrumpfen wird, während der Leitzins von ihnen im Durchschnitt bei 18,9 Prozent gesehen wird. Vor der Invasion hatte die Zentralbank ihre Inflationsprognose auf 5,0 bis 6,0 Prozent zum Jahresende revidiert und damit frühere Hoffnungen auf eine baldige Rückkehr auf ein Niveau von 4,0 bis 4,5 Prozent aufgegeben. Der Preisschub im Land hatte sich zuletzt zum 11. März auf 12,54 Prozent beschleunigt. Das war der höchste Stand seit Ende 2015.
Russlands Präsident Wladimir Putin schlug Nabiullina inzwischen für eine dritte Amtszeit vor, wie am Freitag aus einem Dokument auf der Internetseite des Parlaments hervorgeht. Die Abgeordneten wollen den Vorschlag demnach am 21. März prüfen. Die aktuelle Amtszeit der 58-Jährigen endet im Juni. Laut Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow will Putin mit dem Schritt für konjunkturelle Stabilität sorgen. Nabiullina, eine Wirtschaftswissenschaftlerin und ehemalige Beraterin Putins, war 2013 überraschend zur Chefin der Zentralbank gekürt worden.
Westliche Staaten haben unter anderem milliardenschwere Devisenreserven der russischen Zentralbank eingefroren. Hunderte ausländische Unternehmen wollen sich aus dem Land zurückziehen. Die USA stoppen wegen des Ukraine-Kriegs die Einfuhr von russischem Öl und Gas. Mehrere große Ratingagenturen sehen die Bonität russischer Staatsanleihen mittlerweile im Ramschbereich.