Deutsche Bahn will 2022 in Gewinnzone zurückkehren

Berlin (Reuters) – Die Deutsche Bahn will im laufenden Jahr die Zeit der Verluste hinter sich lassen.

“Wir wollen ab 2022 wieder operativ schwarze Zahlen schreiben. Das ist ein ehrgeiziges, aber erreichbares Ziel”, sagte Finanzvorstand Levin Holle am Donnerstag auf der Bilanzpressekonferenz. “Wir nähern uns Schritt für Schritt dem Vorkrisenniveau”, ergänzte Firmenchef Richard Lutz. Allerdings bringe der Ukraine-Krieg nach Corona neue Unsicherheiten mit sich. Trotzdem soll der Umsatz weiter zulegen und 2022 auf mehr als 48 Milliarden Euro steigen. Laut Lutz ist die Bahn gut ins Jahr gestartet: “Die Menschen wollen mehr Bahn fahren und die Unternehmen mehr Güter auf die Schiene bringen.” Herausforderungen ergäben sich aus den vielen Baustellen, um Kapazitäten zu erhöhen.

Lutz zufolge hat der Staatskonzern mit mehr als 320.000 Mitarbeitern erneut ein “turbulentes” Jahr erlebt. Dank ihrer gewinnträchtigen Logistik-Tochter Schenker verringerte die Bahn ihren Verlust 2021 allerdings deutlich und vermeldete zudem auch wegen gestiegener Passagierzahlen einen Umsatzrekord. Der Fehlbetrag reduzierte sich auf 900 Millionen Euro nach 5,7 Milliarden Euro im Coronajahr 2020. Der Betriebsverlust (Ebit) ging auf 1,6 Milliarden Euro nach 2,9 Milliarden zurück. Der Umsatz kletterte um 18,4 Prozent auf zuvor nie erreichte 47,3 Milliarden Euro. Rund 82 Millionen Reisende nutzten 2021 die Fernverkehrszüge der Deutschen Bahn und damit rund eine Million mehr als im Jahr davor. Ein größeres Plus verhinderten unter anderem die Flutkatastrophe im Ahrtal und in Nordrhein-Westfalen sowie die Streiks der Lokführer-Gewerkschaft GDL und Reisezurückhaltung durch neue Virusvarianten.

Reuters hatte bereits am 22. März unter Berufung auf Insider Einblick in die Jahreszahlen gegeben.

SCHENKER PUNKTET – “KEINE VERKAUFSPLÄNE”

In der Bilanz der Bahn glänzt vor allem die Logistik-Tochter Schenker. Das Unternehmen hatte schnell auf die Probleme bei den Lieferketten während der Corona-Krise reagiert und profitierte von den hohen Tarifen vor allem bei der Luft- und Seefracht. So heimste sie zu ihrem 150. Unternehmens-Jubiläum einen Rekordumsatz von 23 Milliarden Euro ein und erzielte einen Betriebsgewinn von 1,2 Milliarden Euro. Dies dürfte auch die Debatte um einen möglichen Verkauf befeuern. Finanzkreisen zufolge könnte für Schenker ein Erlös von bis zu 20 Milliarden Euro erzielt werden. Das würde dem Mutterkonzern gut tun, der weiter auf einem Schuldenberg von fast 30 Milliarden Euro sitzt. Holle sagte dazu: “Es gibt aktuell keine Verkaufspläne für DB Schenker. Was die Zukunft bringen, werden wir sehen.”

Anders sieht es bei der Auslandstochter Arriva aus. Da hält die Bahn daran fest, den Verkaufsprozess 2024 zu starten und will bis dahin das Ergebnis weiter verbessern.

INFLATION IM BLICK

Bisher kommt die Deutsche Bahn nach eigenen Angaben mit den höheren Energiepreisen zurecht. “Das Gute bei uns ist, dass wir einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien in unserem Bahn-Strom-Mix haben – fast zwei Drittel. Dadurch sind wir ein Stückweit entkoppelt von der Preisentwicklung. Herr Putin hat Gott sei Dank keinen Einfluss auf Preise von Sonne und Wind”, ergänzte Lutz. Auf lange Sicht werde sich die Deutsche Bahn aber nicht abkoppeln können. Über höhere Ticketpreise könne aktuell noch nichts gesagt werden.

In Kürze steht bei der Bahn eine wichtige Personalveränderung an. Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla verlässt den Staatskonzern zu Ende April. Wer dem früheren Kanzleramtschef, der auch für das umstrittene Milliarden-Projekt Stuttgart21 zuständig war, nachfolgt und dann die gesamte Infrastruktur aus Netz, Bahnhöfen und Energieversorgung verantwortet, ist noch unklar. Für Beständigkeit sorgte die Bahn an anderer Stelle. Erst am Mittwoch verlängerte der Aufsichtsrat die Verträge von Sigrid Nikutta, die den Güterverkehr leitet, und von Finanzchef Holle um jeweils fünf Jahre.

Die Bahn spielt eine zentrale Rolle für die neue Ampel-Koalition und die geplante Verkehrswende hin zur Klimaneutralität in Deutschland. Die Ampel-Koalition plant, die Passagierzahl im Fernverkehr bis 2030 zu verdoppeln. Dafür muss unter anderem das Schienennetz saniert werden, was eine Vielzahl von Baustellen nach sich zieht. Lutz nannte es den “Spagat zwischen Bauen und Fahren”.

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