Impfpflicht ab 60 soll Mehrheit im Bundestag sichern

Berlin (Reuters) – Zwei Tage vor der Bundestags-Abstimmung über eine Impfpflicht gibt es einen Einigung zwischen den Anhängern von zwei Gruppenanträgen.

Ein neuer Kompromissvorschlag sieht die Einführung einer Impfpflicht ab 60 Jahren vor, die ab Oktober gelten soll. Im September soll auf Grundlage der Pandemieentwicklung entschieden werden, ob auch eine Impfpflicht ab 18 Jahren nötig ist. Der Grünen-Abgeordnete Janosch Dahmen forderte die Union auf, bei der Abstimmung am Donnerstag dem Kompromiss zuzustimmen. Die Union kündigte jedoch weitere Ablehnung an, weshalb nach wie vor unsicher ist, ob der Bundestag eine Impfpflicht beschließen kann. Zuvor hatten sich SPD und Union gegenseitig vorgeworfen, eine Mehrheit für eine allgemeinen Impfpflicht zu blockieren.

Am Donnerstag soll der Bundestag über die Einführung eine Impfpflicht abstimmen, für die sich Kanzler Olaf Scholz und fast alle Spitzenpolitiker von SPD und Grünen einsetzen. Beim Koalitionspartner FDP ist sie aber umstritten. Die Ampel hatte deshalb die Abstimmung freigegeben, so dass fraktionsübergreifende Anträge entstehen konnten. Obwohl eine deutliche Mehrheit der Parlamentarier im Bundestag für eine Impfpflicht ist, verhinderte bisher die Zersplitterung auf mehrere Anträge und Gesetzentwürfe eine ausreichende Mehrheit.

Zur Debatte für die Abstimmung im Bundestag standen bislang eine Ablehnung der Impfpflicht, eine Pflicht ab 18 Jahren, eine ab 50 Jahren und das Unions-Konzept einer abgestuften Impfpflicht, die erst ab einer schwierigen Pandemie-Entwicklung gelten soll. Eine Gruppe von Ampel-Politikern hatte zudem am Montag einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der zunächst eine Impfpflicht ab 50 Jahren und eine spätere Abstimmung über eine Impfpflicht ab 18 Jahren sowie die Einführung eines Impfregister vorsieht. Diese soll erfassen, wer alles geimpft wurde. Dies traf aber noch nicht die Zustimmung der Politiker von SPD, Grüne und FDP, die bisher für eine Regelung nur ab 50 Jahren waren.

Jetzt einigten sich beiden Gruppen und erklärten: “Wir setzen auf die Verantwortung der Union, sich diesem Vorschlag anzuschließen. Unser Vorschlag sieht dieselbe Altersgrenze vor, wie der Antrag der Union und schließt auch den Vorschlag der Union für ein Impfregister ein.” Teil des Kompromisses ist auch eine Beratung von Ungeimpften. Im Juni soll der Bundestag die Impfpflicht mit 60 wieder aussetzen können, “falls die Beratungsgespräche die Impfrate ausreichend steigern”. Hintergrund der Altersgrenze 60 ist, dass immer 11,2 Prozent der älteren Menschen nicht geimpft sind und diese besonders anfällig für schwere Verläufe einer Corona-Infektion sind. Eine Impfung soll die Belastung der Krankenhäusern verringern helfen.

Die Spitzen der Ampel-Fraktionen wollen eine Mehrheit für den Kompromissantrag auch dadurch erreichen, indem sie über ihn als letztes abstimmen lassen wollen. Dann, so der Hintergedanke, könnten sich Anhänger anderer Konzepte am Ende doch hinter das abgestufte Modell stellen, damit überhaupt eine Impfpflicht beschlossen wird. Die Union lehnt das Verfahren ab. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach von “Verfahrenstricks”. CDU-Chef Friedrich Merz warnte SPD, Grüne und FDP vor Verfahrens-“Manipulationen”.

Der CDU-Gesundheitspolitiker Tino Sorge warf der Ampel-Koalition vor, die Union nicht einbezogen zu haben. “Wenn der neueste Kompromiss zwischen 18 und 50 jetzt plötzlich bei 60 liegen soll, kann etwas nicht stimmen”, fügte er hinzu. “Dieser Impfpflicht auf Vorrat stimmen wir als Union nicht zu. Das ist kein mehrheitsfähiger Kompromiss, sondern wird ein Fall für die Gerichte.”

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