– von Christian Krämer
Berlin (Reuters) – Die Bundesregierung will Unternehmen, die durch den Krieg in der Ukraine stark in Mitleidenschaft gezogen werden, unter die Arme greifen.
“Wir wollen Härten abfedern und Strukturbrüche verhindern”, sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Freitag in Berlin. Es werde deswegen eine Art wirtschaftspolitischen Stoßdämpfer geben. Zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stellte er dafür fünf Säulen vor. Unter anderem sind Zuschüsse im Volumen von fünf Milliarden Euro geplant. Hinzu kommen Kredite der Förderbank KfW in Höhe von vermutlich sieben Milliarden Euro. Firmen, die von den Energiebörsen abhängen, sollen Kredite von insgesamt bis zu 100 Milliarden Euro bekommen, die der Bund mit einer Garantie unterlegt.
Habeck sagte, der Angriff Russlands auf die Ukraine werde aber trotzdem Spuren hinterlassen. Es sei nicht möglich, alle Härten auszugleichen. Der Kollaps ganzer Firmen müsse verhindert werden. Ebenso seien wegen der hohen Energiepreise Entlastungen der Bürger erforderlich.
“In der aktuellen Situation geht es für Unternehmen vor allem darum, kurzfristig Liquidität sicherzustellen und deshalb Unternehmen und Branchen mit Kreditinstrumenten zu unterstützen”, heißt es in einem Reuters vorliegenden gemeinsamen Papier des Finanz- und Wirtschaftsministeriums. “Unternehmen aller Größenklassen sollen Zugang zu zinsgünstigen, haftungsfreien Krediten erhalten.” Das werde die KfW sicherstellen. “Bei plötzlichen, dramatischen Preissprüngen müssen Unternehmen, die an den Energiebörsen mit Strom und Erdgas auf Termin handeln, an der Börse gegebenenfalls kurzfristig sehr hohe zusätzliche Sicherheiten – sogenannte Margins – hinterlegen.” Dafür sind die bis zu 100 Milliarden Euro vorgesehen.
In dem Papier werden als Option bei besonders relevanten Firmen auch Eigenkapital- oder Hybridkapitalspritzen genannt. Dies werde geprüft. Für energieintensive Produzenten sei ein zeitlich befristeter Kostenzuschuss geplant.
Lindner nannte die direkten Folgen für den Haushalt verantwortbar. Die Zuschüsse von fünf Milliarden Euro würden in den für Ende April geplanten Ergänzungshaushalt fließen. Der Rest seien Bürgschaften und Kredite, die nicht sofort im Haushalt abgebildet werden müssten. Der Ergänzungshaushalt werde insgesamt mindestens 24 Milliarden Euro umfassen. Es kämen aber noch humanitäre Hilfen im Ausland sowie Hilfen für die ukrainische Armee hinzu. Mit dem jetzt bereits genannten Volumen steuert der Bund auf Rekordschulden in diesem Jahr zu. Habeck sagte, die Summen für die neuen Unternehmenshilfen könnten sich noch erhöhen, sollte sich die aktuelle Krise verschärfen.
NICHT NUR TEMPORÄRE BELASTUNGEN FÜR FIRMEN
Beide Ministerien betonen in dem Papier, dass die wirtschaftliche Lage vieler Firmen von großer Unsicherheit geprägt sei. “Ziel ist es, Unsicherheit in den Märkten so gut wie möglich zu reduzieren.” Es dürften aber keine Fehlanreize gesetzt werden. “Wir setzen staatliche Hilfen nur dort ein, wo ein echter Bedarf besteht und andere Mittel ausgeschöpft sind.” Lindner sagte, die Hilfen seien zudem zeitlich befristet.
Hohe Energiepreise, die Folgen der Sanktionen gegen Russland und Lieferengpässe setzten viele Betriebe vor Herausforderungen, so die Ministerien weiter. “Dabei werden die wirtschaftlichen Effekte – anders als in der Corona-Pandemie – voraussichtlich zu großen Teilen nicht nur temporär sein.”
Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae vom Bundesverband der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft sagte, die Versorger seien beim Einkauf von Energie mit Kosten in nie dagewesener Höhe konfrontiert. “Zum Teil müssen sie mehr als das Fünffache für Energie bezahlen als noch Anfang 2021.” Die Hilfen seien daher richtig.
Uniper und der ostdeutsche Gasversorger VNG haben sich bei der KfW zuletzt bereits zusätzlichen finanziellen Spielraum einräumen lassen. VNG hatte vor wenigen Tagen mit der Förderbank einen Kreditvertrag mit einer Laufzeit bis 2023 vereinbart. “Zusammen mit der Erweiterung des bestehenden Kreditrahmens mit ihrem Hauptaktionär EnBW konnte VNG seinen zur Verfügung stehenden Finanzierungsrahmen um eine Milliarde Euro erhöhen.” Wie viel davon allein von der KfW und wie viel von EnBW kommen könnte, blieb offen. Uniper hatte im Januar eine Kreditfazilität in Höhe von bis zu zwei Milliarden Euro mit der KfW vereinbart. Diese Linie wäre am 30. April 2022 ausgelaufen, wurde aber kürzlich bis Ende April 2023 verlängert.